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Ironische Propheten. Eine Untersuchung des Paradoxen innerhalb des kuratorischen Konzepts der 9. Berlin Biennale mit Verweis auf einen hypothetischen Ironiebegriff

Eveline Handlbauer
Masterarbeit, 2017
Abteilung für Kunstgeschichte und Kunsttheorie Simulationen, Scheinwirklichkeiten und Ambivalenzen gehören zu den Konstanten der 9. Berlin Biennale (2016). Die digitalen Bedingungen der Gegenwart, Internet und di­gitale Ästhetiken sind omnipräsent: Die Ausstellung hat sich der »absoluten Gegenwart« verschrieben, und so bekräftigt das KuratorInnen-Team DIS mit Begriffen wie »postpresent« oder »postcontemporary«, dass wir in einer Zeit leben, in der die Zukunft teils vorweggenommen wird.
Diese Gegenwart zeigt sich in technischen, ökonomischen und sozialen Beschleunigungsprozessen. Politik scheint sich heute in Fragen des persönlichen Lifestyles verflüchtigt zu haben. DIS imitiert und simuliert Waren- und Konsumästhetiken, Marketingstrategien großer Konzerne und bringt sie damit in den Diskurs der Kunst. Virtuelle und analoge Wirklichkeiten, Kommerz und Kunst, alles ist eng ineinander verwoben. Grenzen und Differenzen lösen sich auf, verschwimmen ineinander und bringen so einen heterotopen Raum der fiktiven Möglichkeiten hervor.
Das kuratorische Team polarisiert, indem es das kategorisch Kunstferne demonstrativ zur Schau stellt. Gemeinsam gestärkt in der Kommune, im Kollektiv mit ähnlichen Visionen und Absichten, wird ein Kosmos der positivistischen Repräsentation eigener Ideologien generiert, wird der gemeinsame Glaube an postmoderne, postdigitale, konsumorientierte und marktkonforme Welten bestärkt. Ohne Distanz zur Verführungskraft der digitalen und ästhetisierten Lebensverhältnisse droht allerdings die reine Affirmation. Das Hybrid von Kunst, Design und Konsum geht nicht auf, verfängt sich in seinen eigenen Verwirrungen, schafft keine klare Position, zu der man Stellung beziehen könnte.
Angesichts von Virtualität, Simulation, digitalen Netzwerken und Technologien wird die Frage nach dem Realen und der Wirklichkeit tatsächlich immer schwieriger zu beantworten. In der Simulation können ›wahr‹ und ›falsch‹ keine festgelegten Kategorien mehr sein. Die Gegenüberstellungen von medialer Repräsentation und simulierter Realität stagnieren in der 9. Berlin Biennale im Verweis auf das Paradoxe. Wie alle Provokationen verkommt dieser Verweis allerdings schnell zur Geste, die allein dazu dient, Distanz vor einer Haltung zu markieren. Wo potentiell alles in Frage steht, bleibt nichts als der ironische Reflex. Erst die Denkfigur der Ironie markiert eine offene, flexible Position, die notwendige Ausdrucksformen schafft, um zu einer relativierenden, distanzieren­den und kritischen Haltung gegenüber den Phänomenen zu kommen.