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EXHIBITION

Das Milieu der Toten. Übung, Studie, Interview

Eröffnung: 10. Mai 2013, 19.00 Uhr; Ausstellung bis 16. Juni 2013 Secession Wien

Eine Installation von Hannah Hurtzig

Karin Harrasser, Leitung des Bereiches Kulturwissenschaft, begleitet die Installation als Teil einer Forschungsgruppe. „Es ist nämlich ein Irrtum, dass die Toten tot sind“
Alexander Kluge

Das erste Portrait war der Leichnam. Der Blick in das Gesicht eines Toten war das früheste Bild, das sich der Mensch vom Menschen machte. Ein rätselhaftes Bild, denn die Leiche ist ein Doppelgänger, sie zeigt den Verstorbenen, es ist sein/ihr Gesicht und gleichzeitig stellt sie dessen Abwesenheit aus, das Gesicht des Todes. Die Leiche ist selbst schon ein Double - man nimmt gleichzeitig Zeichen von Anwesenheit und Abwesenheit an ihr wahr.
Jemand ist da und gegangen: Dieses Paradox muss z.B. eine Schauspielerin, die Leichen spielt, darstellen können: eine anwesende Abwesenheit. Das Film-Team beobachtet aufmerksam, wie perfekt sie die Leblosigkeit spielt, ob es ihr gelingt zum reglosen Bild ihrer selbst zu werden. Betrachten wir dagegen einen Verstorbenen, suchen wir nach Zeichen des Lebendigen, die ein Wiedererkennen und Erinnerungen ermöglichen: solange wir leben sind die Toten nicht tot.

Eine stabile Beziehung, ein Verhalten, der Versuch eine gemeinsame Sprache für dieses Verhältnis zu finden ist problematisch. Das Milieu der Toten untersucht in diesem Zusammenhang ein geographisches Problem: Wo ist der Ort für jene, die nicht mehr da sind, aber weiterhin Bedürfnisse und Forderungen an die Lebenden haben?
Offensichtlich ist die Populär-Kultur ein guter Aufenthaltsort für die Toten, da tummeln sie sich derzeit in Filmen, TV-Serien, Literatur und Comics. Philosophie und Psychoanalyse dagegen bieten ein schlechtes Milieu, Wissenschaft überhaupt verleugnet die Anwesenheit der Toten, hier werden sie zu Allegorien, Phantomen, Gespenstern, Wesen unserer Phantasie erklärt und in den Bereich der symbolischen Zeichen abgeschoben. So einfach geht das aber nicht.

Die Toten sind unabhängig und präsent und haben sich schon längst in ihrer ganzen Zwiespältigkeit bei uns eingenistet. Es bleibt unklar, wer hier zuerst agiert, wer wen zuerst sieht und ob die Toten mich ansprechen, durch mich sprechen, oder ich meine eigene innere Stimme übersetze. Die Beziehung mit den Toten besteht auf Irrtum und Zweifel. Auch das Paradox des Leichnams bleibt. Es gilt also systematische Verwandtschaftsforschung zu betreiben. Das Milieu der Toten bietet dazu drei Versuchsanordnungen an: Eine dynamische Meditationsübung, die den Übergang vom lebenden Menschen in die Bildwerdung des Verstorben visualisiert. Ein Interview zur Schauspieltechnik der Leichendarstellung. Und eine Begegnung mit drei Wissenschaftlern, die sich an mehreren Tagen in der Wiener Secession treffen, um dort öffentliche Interviews und Gespräche zu führen. Sie formulieren daraus einen Forschungsantrag, in dem die Voraussetzungen und Bedingungen eines guten gemeinsamen Milieu von Lebendigen und Toten geklärt werden sollen.

Eine Forschungsgruppe bestehend aus Philipp Ekardt, Petra Gehring und Karin Harrasser begleitet die Installation und formuliert einen Forschungsantrag zur Ergründung eines guten Milieus für die Begegnung mit den Toten.

Öffentliche Interviews:
Samstag, 11.05.2013 und Samstag 8.06.2013 jeweils 10.00–14.00h & 15.00– 18.00h

Öffentliches Gespräch der WissenschaftlerInnen:
Sonntag, 12.05.2013, 12.00–15.00h
und Sonntag, 9.06.2013, 14.00-17.00h

Außerdem zu sehen:
Interview mit einer Leichendarstellerin (Video, 12 Min.)
Übung über den Tod (Video, 12 Min.)

Im Rahmen der Ausstellung „Unruhe der Form / Entwürfe des politischen Subjekts. Ein Ausstellungsparcours von Wiener Festwochen, Secession, Akademie der bildenden Künste Wien in Kooperation mit MuseumsQuartier Wien.

www.mobileacademy-berlin.com
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