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AUSSTELLUNG

PETS

Eröffnung: 31. März 2009, 19 Uhr Thomas K. Lang Gallerie, Webster Universität, Wien

Ausstellungsdauer: 31. März bis 22. Mai 2009
Ausstellungsort: Webster Universität, Berchtoldgasse 1, 3. Stock, 1220 Wien

Eröffnungsrede von Vitus H. Weh:

Die Bilder von Haruko Maeda sind auf vielerlei Art “exotisch”. Die Künstlerin lebt zwar mit uns und unserer Generation – sie wurde 1983 geboren und wohnt derzeit vor allem in Linz – aber ihre Bilder scheinen aus anderen Zeiten und aus fremden Kulturen zu stammen. Ihre Malweise verweist manchmal zurück bis ins 15. und 16. Jahrhundert, also in eine Zeit als Maler wie Jan van Eck bis Hans Holbein noch die Feinmalerei pflegten. Auf anderen Bildern treffen wir aber auch auf moderne, wenngleich ebenso bereits historische Malereistile: Das Bild “Schwarzwald” erinnert z.B. an die Wilde Malerei der 1980er-Jahre, das Bild “Lupin” an frühe Zeichnungen von Andy Warhol. Die Malereigeschichte mit ihren verschiedenen Stilistiken scheint für Haruko Maeda so etwas wie ein Steinbruch zu sein, aus dem sie sich beliebig bedient, um ihr eigenes Haus zu bauen.

Neben ihren eklektischen Malstilen sind auch ihre Motive exotisch: In der 2007 gestarteten Reihe “My Pets” sind auf ihren Bildern Tiere zu sehen – Tiere wie aus Mythologien entschlüft, Mischwesen wie einst der Pegasos oder die Kentauern, aber es sind bislang unbekannte Mutanten. Ausgeführt in Feinmalerei wirken ihre zusammengesetzten Verwachsungen erstaunlich glaubwürdig. Sie verströmen den gleichen künstlerisch-wissenschaftlichen Charme wie einst das Rhinozeros von Albrecht Dürer oder die Schmetterlingsraupen von Maria Sibylla Merian. Und so wie einst bei diesen Zeichnern zur Zeit der Renaissance oder des Barocks geht es auch bei Haruko Maeda um nichts weniger als eine neue Biologie – allerdings um eine von Menschen gemachte.
Mit ihren metamorphotischen Tierbilder bezieht sich Maeda konkret auf die sich langsam aufhebenden Grenzen zwischen den in Japan gleichermaßen verehrten Haus- und Robotertieren, das heißt auf jene Freak-Show, die sich ergab, als die japanische Tamagotchi-Generation begann, neue Haustierrassen nach ihrem Begehren zu züchten, reale Lebewesen also nach Vorbild des Roboterhundes "Aibo" und anderer digitaler Spielzeuge.
Zur Darstellung dieser Wesen aus der Retorte, man könnte auch sagen dieser “Wunschmaschinen”, eignet sich die altmeisterliche Malweise augenscheinlich besonders gut. Der glacierende Schmelz ihrer Technik verleiht den Motiven einen übernatürlich konservierenden Effekt: ein zeitloser Eindruck, den man ansonsten nur noch von Emailbildern auf Friedhöfen und von Hologrammen kennt.

In anderen Fällen, wie dem schon erwähnten Bild “Schwarzwald”, war hingegen eine andere Malerei von Nöten. Eine viel dunklere, traumverhangenere. Mit wenigen Pinselstrichen entwächst da einem menschlichen Kopf ein Hirschgeweih. Das Licht, das die Szene erhellt, ist kalkweiss und geisterhaft. Vögel stürzen sich kamikaze-artig der Figur entgegen.
Für Haruko Maeda ist “Schwarzwald” ein Selbstbildnis. Sie malte es 2006. Es handelt von ihrer Übersiedelung von Tokio nach Linz zum Studium an der dortigen Kunstuniversität. Es war nicht nur eine weite Reise, sondern auch ein kultureller Schock, den die Künstlerin selbst wie folgt beschreibt: “Es war eine schwierige Zeit wegen des kulturellen Unterschieds und der deutschen Sprache, die ich kaum verstand. Umgekehrt war meine Sprache für Österreicher fremd. So ähnlich verständlich wie wenn eine Katze miaut oder ein Hund bellt. So kam es, dass ich mich als ein anderes Lebewesen fühlte.”

Einigen von Ihnen hier an der internationalen Webster University werden dieses Gefühl der Selbstbefremdung in der Fremde vielleicht ebenso kennen. Und dies obwohl Sie hier auf der Uni in eine sprachliche und kulturelle Gemeinschaft eingebettet sind. Stellen Sie sich aber vor, um wie viel drastischer für Sie ein Studium z.B. in Korea wäre?

Für die künstlerische Produktion in der Moderne gelten solche Befremdungen nun allerdings spätestens seit Paul Gauguin und Vinzenz van Gogh als befruchtend. Sie öffnen einerseits neue Bildquellen, andererseits kann der exotisierte Blick auch Vertrautes wieder als reizvoll entdecken. Aus dieser Perspektive ist Haruko Maedas Befremden also ein künstlerischer Startvorteil.
Bei einer Ausstellung, die ich jüngst im kunsthaus muerz zeigen durfte, habe ich diesen Fremdheitsvorteil übrigens prompt genutzt. Unter dem Titel “Glanz und Verderben” ging es um die heutige Konjunktur des Kristallinen. Haruko Maeda sollte sich in diesem Zusammenhang mit den mit Lahnfäden und Edelsteinen geschmückten Reliquiengebeinen der christlichen Kirche beschäftigt. Diese im Mittelalter bis zur Barockzeit sehr beliebten Mittler zwischen Tod und Auferstehung sind mittlerweile selbst für heutige Christen zu merkwürdigen Dingen geworden. Für jemanden aus dem japanischen Kulturkreis, wo es keinerlei Glauben an eine leibliche Auferstehung gibt und Tote grundsätzlich verbrannt werden, gilt dies natürlich umso mehr. Ihre “Rekonstruktion” solch eines Reliquienschreins fabrizierte Haruko Maeda schließlich mit einem kleinen Affenskelett aus Plastik. Das funkelnde Astralleib-Ergebnis hätte gut in die Reihe “Pets” gepasst.

"My Pet4", 2007, Öl auf Leinwand, 65 x 65 cm