Vom Nutzen und Nachteil bestimmter Kategorien für das Denken von Begriffen, Systemen und Räumen
* Das Anhängsel "-scape" (vgl. englisch: landscape) bezeichnet in der Literatur zu Globalisierung und Migration die transnationale Verteilung von korrelierenden Elementen, die als Landschaft dargestellt werden können.
Wie stellt sich heute ein geografisches Gebiet dar, das seit Ausbruch des 1. Weltkrieges im Laufe von 100 Jahren unterschiedliche nationale Zugehörigkeit durchlief? Wie ist dieser Raum erfahrbar, der uns nah und fern zugleich ist: kulturell und geschichtlich bestehen enge Verbindungen, geografisch ist er heute aber umständlicher und langwieriger zu erreichen als vor einem Jahrhundert, als die Züge im Stundentakt zwischen Wien und Ljubljana, Triest oder Rijeka pendelten. Wiederholt wurden die Grenzen neu gezogen. Triest, Hafenmetropole des österreichischen Kaiserreichs verlor als italienische Stadt nach dem 2. Weltkrieg unmittelbar an der Grenze zu Titos Jugoslawien und in einem abgelegenen Winkel des Landes gelegen für viele Jahrzehnte an Bedeutung; Rijeka, italienisch Fiume war während der Habsburger Monarchie der Hafen Ungarns, nach dem 2.Weltkrieg eine jugoslawische Hafenstadt und ist heute eine kroatische. Die Jugoslawienkriege zogen neue Grenzen und führten zu Migrationsbewegungen, die unmittelbar in unsere Gegenwart wirken. Verlassene und/oder enteignete Liegenschaften lockten österreichische, regionale und internationale Investoren zu post/neokolonialen Finanzabenteuern mit globalen Folgen.
Die Arbeit am Jahresthema beginnt mit einer 10-tägigen Exkursion nach Slowenien, Italien und Kroatien:
Ausgehend von einer Analyse der Landschaften zwischen Ljubljana, Rijeka, Pula und Triest, den Begegnungen mit Menschen, dem Austausch mit Kunstschaffenden, HistorikerInnen, WissenschaftlerInnen und Institutionen fragen wir danach, welche Spuren der vorangegangenen nationalen Identitäten, der Kriege und Traumata lesbar bleiben, etwa in den Kulturlandschaften, ihren Infrastrukturen, den Sprachen, der Architektur, der Kunst, den Traditionen. Die künstlerische Auseinandersetzung versucht diesen vielgestaltigen Raum jenseits eines provinziellen Regionalismus und nationalstaatlicher Enge kritisch zu erkunden.